Der Gesamtmarkt beinhaltet sämtliche Unternehmen und ist somit per Definition durchschnittlich in Bezug auf Qualität, Bewertung und Rendite. Die eigenen Investitionen mit dem Gesamtmarkt zu vergleichen, erscheint somit als angemessene Ausgangslage, weil das Ziel sein sollte eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Immer wieder kommt es zu Übertreibungen, welche dazu führen, dass gewisse Segmente des Marktes zum ungünstigsten Zeitpunkt überproportional vertreten sind. Um die Jahrtausendwende waren dies Technologieunternehmen, in der Finanzkrise 2007 war es die Finanzindustrie und 2021 waren es teuer bewertete Wachstumsaktien und Anleihen mit langen Laufzeiten. Dies ist auch in die umgekehrte Richtung zutreffend. Vernachlässigte und unterbewertete Sektoren sind im Gesamtmarkt temporär unterrepräsentiert.

 

Wird der Markt nachgebildet oder der Vermögensverwalter kurzfristig an diesem gemessen, ohne die Positionierung zu hinterfragen und abweichende Entscheidungen mit langfristigem Anlagehorizont zu treffen, besteht die Gefahr zum ungünstigsten Zeitpunkt temporären Übertreibungen exponiert zu sein. Der Umstand, dass diese Zeitperioden oftmals von intensiver medialer Berichterstattung und entsprechend grossem Interesse von Privatinvestoren begleitet sind, erschweren die Situation zusätzlich.

 

Das letzte Jahr dient als gutes Beispiel zur Veranschaulichung. Als die Zinsen ihre Tiefststände erreicht hatten und erwartet wurde, dass dieser Zustand anhalten würde, spielten Bewertungen aufgrund fehlender Opportunitätskosten eine untergeordnete Rolle. Der Fokus der Investoren galt Aktien mit den interessantesten Wachstumsgeschichten sowie Aktien mit stetigen Erträgen, welche als Ersatz für Anleihen betrachtet und entsprechend teuer bewertet waren. Mit der Rückkehr der Zinsen ist auch die Schwerkraft an die Märkte zurückgekehrt. Die Erträge der Gegenwart und Zukunftsvisionen müssen sich wieder mit beträchtlichen festverzinslichen Alternativen messen.

 

In Bezug auf Anleihen gilt es insbesondere auf die Kapitalbindungsdauer (Duration) beziehungsweise das Laufzeitenrisiko zu achten. Wie in den anfangs erwähnten Beispielen des Aktienmarkts, war auch hier die Marktpositionierung zum ungünstigsten Zeitpunkt am extremsten ausgeprägt. Als der Schweizer Anleihenmarkt im Jahr 2020 eine negative Verfallsrendite auswies, hat die Kapitalbindungsdauer ihren Höhepunkt erreicht. Hat man die Laufzeiten des Anleihenmarktes beziehungsweise der Vergleichsindexe nachgebildet, hat man sein Kapital für knapp acht Jahre bei negativen Zinsen fixiert, während man jahrelang zuvor in wesentlich kürzere Restlaufzeiten investiert war. Auch die übrigen Hauptwährungen zeigen ein ähnliches Bild von dieser Zeitperiode. Die untenstehende Grafik zeigt, wie die Restlaufzeiten des Anleihenmarkts stetig zugenommen haben, je tiefer die Zinsen gefallen sind.

 

Verfallsrendite vs. Kapitalbindungsdauer
(SBI AAA-BBB)

 

Unternehmen haben die Tiefzinsphase genutzt, um lange Anleihen zu emittieren und langfristig von tiefen Zinsen zu profitieren. Gleichzeitig haben die tiefen Coupons dazu geführt, dass Anleger nicht nur das Kapital lange zur Verfügung gestellt haben, sondern während dieser Zeit auch nur geringfüge Geldflüsse aus den Anleihen erhalten werden, welche zu aktuellen Zinsen reinvestiert werden können. Entsprechend stark haben langfristige Anleihen korrigiert, um das neue Zinsumfeld zu widerspiegeln.

 

Als aktiver und unabhängiger Investor sehen wir unsere Aufgabe darin, den Markt aber auch unsere Positionierung ständig zu hinterfragen, die Risiken abzuwägen und kurzfristigem Druck standzuhalten, um langfristig das Richtige für unsere Kunden zu tun. Dies ermöglicht unseren Portfolios kurzfristige Übertreibungen schadlos zu überstehen und der gewählten Strategie über den gesamten Wirtschaftszyklus treu zu bleiben.

 

Wir erachten das derzeitige Umfeld als anspruchsvoll, weil wir einen beträchtlichen Zinsanstieg in kurzer Zeit erlebt haben, welcher sich mit einer Verzögerung auf Staaten, Unternehmen und Privathaushalte auswirkt. Der Einfluss höherer Zinsen ist vielseitig und komplex und auch für die Bewertung von Vermögenswerten grundlegend. Als erste Folge davon haben wir zu Beginn des Jahres den Konkurs der Silicon Valley Bank sowie die Übernahme der Credit Suisse, begleitet von staatlichen Interventionen, erlebt. Die Staaten ihrerseits sind mit wesentlich höheren Zinskosten konfrontiert, welche die stetig steigende Schuldenlast zusätzlich erhöht. Die Konsumenten haben nebst höheren Zinsen mit gestiegenen Lebenskosten zu kämpfen, was die vom Covid-Lockdown überschüssigen Ersparnisse allmählich aufbrauchen lässt.

 

Die beachtlichen Ausschläge an den Märkten sind ein Spiegelbild dieser Umstände und der grossen Verschiebungen in den Konsenserwartungen der Marktteilnehmer – von nachhaltig tiefen Zinsen und temporärer Inflation aufgrund Covid hin zu erwarteter Rezession aufgrund starkem Zinsanstieg im letzten Jahr und mittlerweile erwarteter sanfter Abschwächung der Wirtschaft trotz höherer Zinsen. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Konsens erneut falsch liegt. Je langfristiger der eigene Anlagehorizont, desto verlässlicher kann die eigene Strategie ausgerichtet werden.

 

Für uns steht die Robustheit unserer Investitionen unabhängig des eintreffenden Szenarios im Vordergrund. Die von uns gehaltenen Unternehmen haben in der Vergangenheit bewiesen, schwierige Marktphasen erfolgreich überstehen zu können. Dank führender Marktposition konnten steigende Kosten an den Endkonsumenten weitergegeben werden. Aufgrund strukturell wachsender Produkte und Dienstleistungen konnten Skaleneffekte aufrechterhalten werden. Die tiefe Verschuldung hält zudem die Zinslast in Grenzen. Sowohl die Ertragsrendite unserer gehaltenen Aktien wie auch die Zinsrendite der Anleihen haben sich über die letzten Monate erhöht, was grundsätzlich positiv ist. Für den weiteren Verlauf ist entscheidend, wann und auf welchem Niveau sich die Zinsen stabilisieren beziehungsweise ihren Höhepunkt finden. Dies wiederum ist vom Pfad der Inflation und Wirtschaft abhängig. Anstelle einer abschliessenden Prognose achten wir darauf, agil zu bleiben, die sich ständig ändernde Datenlage zu analysieren und von Opportunitäten zu profitieren, welche sich aufgrund des anspruchsvollen Umfelds ergeben. Die Situation isoliert zu betrachten greift zu kurz, entscheidend ist, was aufgrund der Erwartungen der Marktteilnehmer bereits im Preis der Vermögenswerte abgebildet ist. 

 

Zürich, Ende September 2023

Geschäftsmodelle, Konsum- und Investitionsverhalten sowie auch die Bewertung von Vermögenswerten, alles wird durch den wichtigsten Treiber der Wirtschaft beeinflusst – dem Preis des Geldes, d.h. den Zinsen. Interessanterweise wird genau dieser, in der sogenannten freien Marktwirtschaft, nicht dem Markt überlassen, sondern durch die Zentralbanken gesteuert. Damit wird versucht, den Wirtschaftszyklus zu stabilisieren und die Inflation konstant zu halten. Die Ereignisse in den letzten Wochen haben gezeigt, dass die freie Marktwirtschaft auch anderweitig ihrer Definition nicht vollständig gerecht wird, als erneut mehrere Banken mit staatlichen Eingriffen gerettet wurden. Banken sind aufgrund tiefem Eigenkapital im Verhältnis zur Gesamtbilanz besonders fragil, weshalb nun die ersten Konsequenzen der stark steigenden Zinsen in diesem Sektor zum Vorschein gekommen sind. Wenn etwas fundamental fragil ist, ist es von externen Faktoren wie Vertrauen oder Hoffnungen abhängig. Bei unseren Investitionen achten wir auf möglichst geringe Abhängigkeiten von einzelnen externen Faktoren. Eine robuste Ertragskraft über den gesamten Wirtschaftszyklus in Kombination mit einer tiefen Verschuldung im Verhältnis zur Stabilität der Erträge bilden dafür die Grundlage. Wir verlassen uns bei unseren Investitionen nicht auf Visionen, Fremdkapitalgeber oder gar den Staat.

  

Die Nebenwirkungen der tiefen Fremdkapitalkosten sind vielseitig. Einerseits konnten dank niedriger Zinsen Kreditnehmer mit Leasing, Hypotheken oder Unternehmenskrediten von vernachlässigbaren Fremdkapitalkosten profitieren, was Konsum und Investitionen stark stimuliert hat. Andererseits werden dadurch Konsum und Geschäftsmodelle ermöglicht, welche bei normalen Zinsen nicht aufrechterhalten werden können. Dies führt zu einer Fehlallokation von Ressourcen, was insbesondere auf Ebene der Arbeitskräfte nachteilig für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung ist. Sparer hingegen mussten ihr Geld investieren, um die Aussicht auf eine Rendite aufrechtzuerhalten. Entsprechend gross war die Nachfrage nach Vermögenswerten und als Folge davon deren Preisanstieg. Mit den höheren Zinsen hat sich die Ausgangslage spürbar verändert. Investitionen in Anleihen, Geldmarktfonds und sogar das Sparkonto, werfen wieder Zinsen ab. Diese kompensieren zwar die derzeit hohen Inflationsraten nicht, aber leisten nominal einen spürbaren Beitrag zur Minderung der Kostenanstiege. Gleichzeitig sind Kreditnehmer mit höheren Kapitalkosten und die Bevölkerung allgemein mit höheren Preisen aufgrund der Inflation konfrontiert. All dies verlangsamt die wirtschaftliche Entwicklung. Dennoch zeigt sich der Konsument, auch dank tiefer Arbeitslosigkeit, weiterhin in guter Verfassung und scheint nach den Covid Entbehrungen weiterhin Nachholbedarf zu haben.

  

Zentralbanken weltweit versuchen derzeit herauszufinden, wie hoch die Zinsen steigen müssen, um die Nachfrage besser in Einklang mit dem Angebot zu bringen und die Preise stabilisieren zu können. Höhere Zinsen brauchen Zeit, bis sie ihre volle Wirkung entfalten. Während die Bewertung von börsenkotierten Vermögenswerten am schnellsten auf Veränderungen des Zinsniveaus reagieren, dauert es je nach Laufzeit des Fremdkapitals Jahre bis die Zinskosten für den Kapitalnehmer effektiv ansteigen. Aufgrund der Instabilität des Banksektors sind die Zentralbanken nun mit der Aufgabe konfrontiert, die Balance zwischen Inflationsbekämpfung und Finanzsystemstabilisierung zu finden. Sowohl hohe Inflationsraten wie auch eine Destabilisierung des Finanzsystems hätten weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen.

  

Aufgrund der langen Tiefzinsphase und der Geschwindigkeit der Zinserhöhungen, ist es gut möglich, dass im Verlaufe der Zeit weitere Fragilität bzw. Konsequenzen der Tiefzinsphase zum Vorschein kommen. Im Verlauf der nächsten Quartale wird sich ein klareres Bild offenbaren, inwiefern die Zinswende strukturell oder temporär ausfallen wird. Besonders in Zeiten wie diesen, lohnt es sich auf verlässliche Werte zu setzen. In unserem Fall ist dies die überdurchschnittliche Qualität unserer gehaltenen Investitionen sowie die relativ kurzen Laufzeiten der Anleihen, um agil zu bleiben.

  

Zürich, Ende März 2023.