Der europäische Aktienindex Stoxx 600 verzeichnete im Vergleich zum amerikanischen S&P 500 die schlechteste relative Performance seit 1995. Der MSCI Welt Index, der rund 1’400 Unternehmen aus 23 Industrieländern nach Marktkapitalisierung abbildet, erzielte gegenüber demselben Index mit gleichmässiger Gewichtung der Aktien eine Mehrrendite von 11% – ebenfalls ein Rekordwert. Ein wesentlicher Faktor für diesen Unterschied ist, dass die acht grössten Unternehmen der Welt*, die alle ihren Sitz in den USA haben, mittlerweile mehr als ein Fünftel der Kapitalisierung des MSCI Welt Index ausmachen. Im Jahr 2024 haben sie 40% zur Performance des Index beigesteuert. In den US-amerikanischen Indizes ist dieser Einfluss noch stärker ausgeprägt. Das wirtschaftliche Umfeld ist derzeit anspruchsvoll und deshalb ist Wachstum besonders wertvoll und teuer. Die führenden Technologieunternehmen profitieren sowohl von ihrer dominanten Marktstellung als auch von der generellen Technologisierung. Die Gewinn- und Bewertungsentwicklung dieser Unternehmen ebenso wie ihr hoher Anteil am Gesamtmarkt spiegeln diese Trends wider.

  

Regionale Entwicklungen und politische Veränderungen

Gleichzeitig divergieren die konjunkturellen Aussichten in den verschiedenen Weltregionen deutlich. In Europa haben sich die wirtschaftlichen Probleme von der Peripherie ins Zentrum verlagert. Frankreich sieht sich aufgrund problematischer Staatsfinanzen und angespannter innenpolitischer Verhältnisse inzwischen mit ähnlich hohen Zinsen auf Staatsanleihen konfrontiert wie Griechenland. Deutschland kämpft mit verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen. Das negative Wirtschaftswachstum sticht sowohl im europäischen als auch im internationalen Vergleich deutlich heraus. Dass sich der deutsche Leitindex DAX davon wenig beeindruckt zeigt, liegt hauptsächlich daran, dass die im Index enthaltenen Unternehmen einen Grossteil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften und von einem schwachen Euro profitieren. Auch Chinas wirtschaftliche Entwicklung bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der schwächelnde Immobilienmarkt drückt auf den Konsum, was nicht ausreichend mit Exporten kompensiert werden kann. Nun wurden umfangreiche Massnahmen angekündigt, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Ob diese ausreichen werden, hängt unter anderem davon ab, wie ernst es die US-Regierung mit möglichen Einfuhrzöllen meint.

  

Mit dem Wahlsieg von Donald Trump hat sich die USA sowohl innen- als auch aussenpolitisch für einen klaren Kurswechsel entschieden. Deregulierung und Steuersenkungen sollen die Wettbewerbsfähigkeit stärken, während Elon Musk für eine Stabilisierung der Staatsfinanzen sorgen soll. Angesichts der Tatsache, dass die Zinsausgaben auf den Staatsschulden inzwischen höher sind als die Militärausgaben, ist diese Idee nicht abwegig. Das Beispiel Argentinien zeigt, dass Reformen schnell und drastisch umgesetzt werden können. Dort sind erste Anzeichen zu beobachten, wie Deregulierung und staatlicher Bürokratieabbau die Wirtschaft beleben können. In Europa ist eine vergleichbare Entwicklung nicht absehbar. Aus Marktperspektive wird es spannend zu verfolgen sein, wie sich die unterschiedlichen Pfade auf das Wirtschaftswachstum auswirken, das sich bereits jetzt deutlich unterscheidet. Positive wirtschaftliche Impulse können im derzeitigen Umfeld, unabhängig des geografischen Ursprungs, gut gebraucht werden.

  

Bewertungsdiskussion und Unternehmensanalyse

Nebst den wirtschaftlichen Differenzen gehören die Bewertungsunterschiede zwischen den USA und Europa zu den derzeit meistdiskutierten Themen. Basierend auf unseren eigenen Auswertungen greifen regionale Bewertungsdiskussionen zu kurz. Die sektorale Zusammensetzung der beiden Regionen ist sehr unterschiedlich und die Dominanz der grossen Technologiekonzerne verzerrt sowohl die Wahrnehmung als auch die Bewertung des Gesamtmarkts. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass es kaum zwei Unternehmen gibt, die eins zu eins miteinander vergleichbar sind. Lindt ist nicht Hershey und SAP ist nicht Microsoft. Selbst wenn zwei Unternehmen ähnliche Produkte haben, wie beispielsweise Adidas und Nike, gibt es Unterschiede in den Absatzmärkten und unternehmensspezifische Herausforderungen. Entsprechend beurteilen wir jedes Unternehmen individuell hinsichtlich Qualität, Leistungsausweis und Bewertung. In unserem Anlageuniversum erkennen wir keine signifikanten regionalen Bewertungsunterschiede, die sich nicht mit wirtschafts- und unternehmensspezifischen Gegebenheiten erklären lassen. International tätige Unternehmen mit marktführenden Produkten und Dienstleistungen passen sich globalen Veränderungen an und sind oftmals mobiler und weniger eingeschränkt in ihrer Entscheidungsfindung als es Investoren sind. Diesem Umstand tragen wir Rechnung, indem wir unabhängig vom Firmensitz in Unternehmen mit führender Marktstellung investieren.

  

Fazit und Ausblick

Während die dominanten Technologiewerte mittlerweile eine hohe Anspruchshaltung in der Bewertung abbilden und dieser zukünftig gerecht werden müssen, finden wir weltweit Unternehmen, bei welchen dies nicht der Fall ist. Sollte sich die Wachstumsdifferenz der grossen Konzerne gegenüber dem restlichen Markt verringern, was statistisch wahrscheinlich ist, könnte dies aufgrund der in den Bewertungen verankerten Erwartungshaltung spürbare Folgen haben. Mittelfristig halten wir eine Rückkehr zum langfristigen Trend, in dem gleichgewichtete Indizes gegenüber kapitalisierungsgewichteten eine Mehrrendite erzielen, für realistisch. Jede positive Überraschung seitens Wirtschaft bietet Potenzial, durch breiter abgestütztes Gewinnwachstum, den Wendepunkt herbeizuführen. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass die Umsätze und Gewinne der dominanten Technologiekonzerne den hohen Erwartungen nicht gerecht werden, was zu einer entsprechenden Bewertungskorrektur führen würde.

  

Als passiver Investor ist man aktuell so stark wie selten zuvor von der Kursentwicklung einiger weniger Grosskonzerne abhängig. Aktive Vermögensverwaltung bietet hingegen die Möglichkeit, abseits des Fokus von Medien und Investoren selektiv dort zu investieren, wo Qualität und Bewertung in einem attraktiven Verhältnis stehen, ohne auf das Eintreten hoher Wachstumserwartungen angewiesen zu sein. Gerade in Zeiten erhöhter Unsicherheit und Konzentrationsrisiken halten wir Disziplin und eine aktive Herangehensweise für besonders lohnend und blicken mit Zuversicht auf das kommende Börsenjahr.

  

Zürich, Ende Dezember 2024

  

* per 31.12.2024: Apple, Nvidia, Microsoft, Amazon, Meta, Tesla, Alphabet, Broadcom (exkl. Saudi Aramco, nicht im MSCI Welt)

Mit der Euphorie rund um das Thema Künstliche Intelligenz und der starken Performance des Technologiesektors seit Ende 2022 hat die Besorgnis zugenommen, dass der Sektor mittlerweile zu teuer sein könnte. Die Problematik bei der Beurteilung dieser Fragestellung ist vielschichtig. Der Technologiesektor setzt sich aus den drei Subsektoren Software, Hardware und Halbleiter zusammen. Jeder dieser drei Subsektoren weist unterschiedliche Nachfragedynamiken, Margenprofile, Wachstumsraten und Bewertungen auf. Sowohl der gesamte Sektor als auch die Subsektoren sind geprägt von Apple, Microsoft und NVIDIA, welche mit Marktkapitalisierungen von mehreren Billionen USD zusammen rund die Hälfte des Technologiesektors ausmachen. Seit 2018 sind zudem grosse Technologiekonzerne wie Alphabet (ehemals Google) und Meta (ehemals Facebook) dem Kommunikations- und nicht mehr dem Technologiesektor zugeteilt. Pauschale Gesamtbeurteilungen werden diesen Gegebenheiten somit nicht gerecht.

  

In dieselbe Kategorie gehören für uns auch regionale Beurteilungen. Eine Aussage wie «Europa ist im Vergleich zu den USA attraktiv bewertet», ist ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Zusammensetzung der Sektoren nicht aussagekräftig. Während in Europa die Finanz- und Industriesektoren mit jeweils rund 15% das grösste Gewicht haben, ist in den USA der Technologiesektor mit rund einem Drittel der mit Abstand gewichtigste Sektor. Dass der Finanzsektor, insbesondere seit der Finanzkrise nicht den besten Leistungsausweis aufweist, während Technologie ständig an Bedeutung gewinnt, ist unbestritten. Der zunehmenden Technologisierung mit Trends wie Smartphones, Cloud Computing und zuletzt künstlicher Intelligenz, können sich weder Konsumenten noch Unternehmen entziehen. Entsprechend hat dieser Anteil an der Wirtschaftsleistung zugenommen, was richtigerweise in der Marktkapitalisierung widerspiegelt wird.

  

Zur spezifischen Beurteilung der Bewertung greift das vielbeachtete Kurs/Gewinn Verhältnis zu kurz. Der Kurs widerspiegelt nicht nur den aktuellen Gewinn, sondern auch dessen Wachstumsaussichten. Der gesamte Technologiesektor weist ein deutliches Mehrwachstum gegenüber dem Gesamtmarkt aus. Insbesondere in einem wirtschaftlich anspruchsvollen Umfeld ist dies unabdingbar, um mit der Inflation schritthalten zu können. Insofern betrachtet ist eine Bewertungsprämie basierend auf dem aktuellen Gewinn gegenüber dem Gesamtmarkt gerechtfertigt.

  

Von zusätzlicher Bedeutung ist, dass Gewinnwachstum sowohl durch Umsatzsteigerungen als auch mit Effizienzgewinnen erzielt werden kann. Letzteres führt aufgrund der Skalierbarkeit zu überdurchschnittlich hohen Margen im Technologiesektor. Diese könnten gemäss unserer Einschätzung, insbesondere bei den grossen Technologieunternehmen noch höher ausfallen. Bis vor kurzem, stand Effizienz aufgrund des starken Wachstums nicht im Vordergrund.

  

Unter Berücksichtigung sämtlicher erwähnten Faktoren, ist die Bewertung des Technologiesektors im Vergleich zum Gesamtmarkt tatsächlich anspruchsvoller geworden. Gleichzeitig hat sich das Mehrwachstum im derzeitigen Umfeld akzentuiert. Vereinzelt mögen die Zukunftserwartungen an die künstliche Intelligenz zu Bewertungen geführt haben, welche der Gewinnentwicklung etwas zu weit vorausgeeilt ist. Über den gesamten Sektor betrachtet erachten wir die Bewertung jedoch in einem angemessenen Verhältnis zum Wachstum.

  

Als aktiver Investor haben wir das Privileg, nicht den gesamten Sektor kaufen zu müssen. Unser Fokus besteht ausnahmslos darin die Unternehmen zu finden, bei welchen die Ertragsaussichten in einem attraktiven Verhältnis zur Bewertung stehen.

  

Zürich, Ende März 2024