Geschäftsmodelle, Konsum- und Investitionsverhalten sowie auch die Bewertung von Vermögenswerten, alles wird durch den wichtigsten Treiber der Wirtschaft beeinflusst – dem Preis des Geldes, d.h. den Zinsen. Interessanterweise wird genau dieser, in der sogenannten freien Marktwirtschaft, nicht dem Markt überlassen, sondern durch die Zentralbanken gesteuert. Damit wird versucht, den Wirtschaftszyklus zu stabilisieren und die Inflation konstant zu halten. Die Ereignisse in den letzten Wochen haben gezeigt, dass die freie Marktwirtschaft auch anderweitig ihrer Definition nicht vollständig gerecht wird, als erneut mehrere Banken mit staatlichen Eingriffen gerettet wurden. Banken sind aufgrund tiefem Eigenkapital im Verhältnis zur Gesamtbilanz besonders fragil, weshalb nun die ersten Konsequenzen der stark steigenden Zinsen in diesem Sektor zum Vorschein gekommen sind. Wenn etwas fundamental fragil ist, ist es von externen Faktoren wie Vertrauen oder Hoffnungen abhängig. Bei unseren Investitionen achten wir auf möglichst geringe Abhängigkeiten von einzelnen externen Faktoren. Eine robuste Ertragskraft über den gesamten Wirtschaftszyklus in Kombination mit einer tiefen Verschuldung im Verhältnis zur Stabilität der Erträge bilden dafür die Grundlage. Wir verlassen uns bei unseren Investitionen nicht auf Visionen, Fremdkapitalgeber oder gar den Staat.

  

Die Nebenwirkungen der tiefen Fremdkapitalkosten sind vielseitig. Einerseits konnten dank niedriger Zinsen Kreditnehmer mit Leasing, Hypotheken oder Unternehmenskrediten von vernachlässigbaren Fremdkapitalkosten profitieren, was Konsum und Investitionen stark stimuliert hat. Andererseits werden dadurch Konsum und Geschäftsmodelle ermöglicht, welche bei normalen Zinsen nicht aufrechterhalten werden können. Dies führt zu einer Fehlallokation von Ressourcen, was insbesondere auf Ebene der Arbeitskräfte nachteilig für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung ist. Sparer hingegen mussten ihr Geld investieren, um die Aussicht auf eine Rendite aufrechtzuerhalten. Entsprechend gross war die Nachfrage nach Vermögenswerten und als Folge davon deren Preisanstieg. Mit den höheren Zinsen hat sich die Ausgangslage spürbar verändert. Investitionen in Anleihen, Geldmarktfonds und sogar das Sparkonto, werfen wieder Zinsen ab. Diese kompensieren zwar die derzeit hohen Inflationsraten nicht, aber leisten nominal einen spürbaren Beitrag zur Minderung der Kostenanstiege. Gleichzeitig sind Kreditnehmer mit höheren Kapitalkosten und die Bevölkerung allgemein mit höheren Preisen aufgrund der Inflation konfrontiert. All dies verlangsamt die wirtschaftliche Entwicklung. Dennoch zeigt sich der Konsument, auch dank tiefer Arbeitslosigkeit, weiterhin in guter Verfassung und scheint nach den Covid Entbehrungen weiterhin Nachholbedarf zu haben.

  

Zentralbanken weltweit versuchen derzeit herauszufinden, wie hoch die Zinsen steigen müssen, um die Nachfrage besser in Einklang mit dem Angebot zu bringen und die Preise stabilisieren zu können. Höhere Zinsen brauchen Zeit, bis sie ihre volle Wirkung entfalten. Während die Bewertung von börsenkotierten Vermögenswerten am schnellsten auf Veränderungen des Zinsniveaus reagieren, dauert es je nach Laufzeit des Fremdkapitals Jahre bis die Zinskosten für den Kapitalnehmer effektiv ansteigen. Aufgrund der Instabilität des Banksektors sind die Zentralbanken nun mit der Aufgabe konfrontiert, die Balance zwischen Inflationsbekämpfung und Finanzsystemstabilisierung zu finden. Sowohl hohe Inflationsraten wie auch eine Destabilisierung des Finanzsystems hätten weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen.

  

Aufgrund der langen Tiefzinsphase und der Geschwindigkeit der Zinserhöhungen, ist es gut möglich, dass im Verlaufe der Zeit weitere Fragilität bzw. Konsequenzen der Tiefzinsphase zum Vorschein kommen. Im Verlauf der nächsten Quartale wird sich ein klareres Bild offenbaren, inwiefern die Zinswende strukturell oder temporär ausfallen wird. Besonders in Zeiten wie diesen, lohnt es sich auf verlässliche Werte zu setzen. In unserem Fall ist dies die überdurchschnittliche Qualität unserer gehaltenen Investitionen sowie die relativ kurzen Laufzeiten der Anleihen, um agil zu bleiben.

  

Zürich, Ende März 2023.

Rückblick

Eine ausgewogene Anlagestrategie hat zum Ziel, verschiedene Einflussfaktoren auszubalancieren und die Rendite zu stabilisieren. Ein Investor in Anleihen stellt Unternehmen Fremdkapital zur Verfügung und wird dafür in der Regel mit einem fixen Zinssatz entschädigt. Ein Investor in Aktien ist Miteigentümer und partizipiert somit am Gewinn bzw. Verlust eines Unternehmens. Wächst die Wirtschaft, steigen tendenziell die Unternehmensgewinne und Aktien werfen eine höhere Rendite ab als festverzinsliche Anleihen. In unsicheren Zeiten suchen Investoren hingegen die sicheren Erträge der Anleihen. Üblicherweise gewinnen somit Anleihen an Wert, wenn Aktien negativen Entwicklungen ausgesetzt sind.

Nicht so in diesem Jahr. Ausgewogen investierte Investoren hatten eines der schlechtesten Jahre zu verzeichnen. Ein wichtiger Grund dafür lag darin, dass die Einschätzung des Marktes innerhalb kürzester Zeit, von anhaltend tiefer Inflation hin zu Angst vor nachhaltig zu hoher Inflation gewechselt hat. In diesem Kontext haben die Tiefst-Zinsen der vergangenen Jahre ihre Berechtigung verloren, was zu einer starken Korrektur festverzinslicher Anleihen geführt hat. Als Folge der höheren Zinsen haben auch Aktien korrigiert, weil deren Bewertung bzw. Gewinnrendite, in direkter Konkurrenz zu den Zinsen der Anleihen stehen.

Entwicklung Aktienkurse vs. Renditen Anleihen

Ein mehr als vierzigjähriger Trend sinkender Zinsen hat mit negativen Nominalrenditen im letzten Jahr seinen Höhepunkt erreicht und eine dramatische Kehrtwende erlebt. Entsprechend stark haben bisherige Profiteure dieses Trends an Wert eingebüsst, insbesondere Anleihen mit langer Laufzeit und teuer bewertete, defensive Qualitäts- sowie Wachstumsaktien.

 

Ausblick

Nachdem die US-Notenbank die Zinsschraube mit historischer Geschwindigkeit und Ausmass angezogen hat und Notenbanken weltweit dem Beispiel gefolgt sind, stellt sich nun die Frage wie gut dieses Zinsniveau von Konsumenten, Unternehmen und Staaten absorbiert werden kann. Einerseits strapazieren die höheren Zinsen und die gestiegenen Preise vieler Güter das Budget. Andererseits erweist sich der Arbeitsmarkt weiterhin als sehr robust, die Lohnverhandlungen als aussichtsreich und die Nachfrage stagniert auf hohem Niveau. Da nun auch China die Covid Massnahmen lockert, ist die Gesamtheit der Nachfrage-Effekte derzeit schwer abzuschätzen.

Sollte sich die Wirtschaft abschwächen, kann eine Zinsstabilisierung stattfinden, was sich stützend auf die Bewertung der Aktien auswirken würde. Weniger positiv dürfte dann allerdings die Gewinnentwicklung der Unternehmen ausfallen. Die verschiedenen Wechselwirkungen von Wachstum, Inflation, Zinsen und Bewertungen führen zu einer ausserordentlich anspruchsvollen Situation. Im Unterschied zur letztjährigen Ausgangslage leisten die Zinsen der Anleihen wieder einen Beitrag zur positiven Portfolioentwicklung. Die Bewertung des Aktienmarktes widerspiegelt das höhere Zinsniveau sowie zumindest teilweise, die von der Mehrheit der Ökonomen erwartete Wirtschaftsabkühlung im nächsten Jahr.

 

Fazit

Es empfiehlt sich für verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein und eine langfristige Perspektive einzunehmen. Die derzeitigen Zinsen bieten eine stabile Ertragsquelle, weshalb wir die Anleihenquote erhöht und unsere Laufzeiten etwas verlängert haben. Aufgrund des starken Zinsanstiegs und den daraus folgenden Veränderungen und Risiken für Markt und Wirtschaft, erachten wir eine neutrale Aktienquote derzeit als angemessen. Die mittlerweile weniger anspruchsvollen Bewertungen stimmen uns als langfristigen Investor positiv. Wir erwarten, dass die Unsicherheiten andauern und die Marktentwicklung herausfordernd bleibt. Wir erachten dies jedoch als gute Gelegenheit neue Investitionen zu identifizieren, welche aufgrund des derzeitigen Umfelds einen Bewertungsabschlag aufweisen. In dieser Situation messen wir der Robustheit unserer Portfolios weiterhin höchste Priorität zu.

 

Zürich, Ende Dezember 2022.