Schwergewichte dominieren Indexentwicklung

Im letzten Anlagebericht haben wir uns der Fragestellung gewidmet, ob der Technologiesektor überbewertet ist, und sind zum Schluss gekommen, dass dies grundsätzlich nicht der Fall ist. Nachdem wir nun auf die erste Jahreshälfte zurückblicken können, drängt es sich auf, diese Fragestellung aus einer weiteren Perspektive zu beleuchten.

 

Insbesondere die grossen Technologie-Konzerne sind, nach einem erneut starken Anstieg, in den Indizes nicht nur hoch gewichtet, sondern gleichzeitig für einen Grossteil der diesjährigen Marktperformance verantwortlich. Im Technologie-Index Nasdaq ist dies am ausgeprägtesten. Die grössten zehn Unternehmen haben ein Gewicht von 52% und sind für 94% der diesjährigen Performance verantwortlich. Im breiter diversifizierten MSCI-Welt Index machen die grössten zehn Unternehmen 25% des Index aus und haben 62% zur Performance beigesteuert.

  

Das globale Wirtschaftswachstum ist tief, die Zinsen hoch und der Ausblick unklar. Gleichzeitig erleben wir eine Euphorie im Bereich der künstlichen Intelligenz und mittendrin sind die grössten Konzerne, welche die finanziellen Möglichkeiten besitzen in die Datenzentren zu investieren, welche die dafür notwendige Rechenleistung produzieren. Auch ohne Erträge durch Anwendungen der künstlichen Intelligenz, ist das Wachstum dieser Grosskonzerne beachtlich. Die Kombination dieser Faktoren hat die Investorenerwartungen steigen lassen und als Folge davon, sind die grössten zehn Unternehmen mittlerweile doppelt so teuer bewertet wie der Gesamtmarkt. Damit ist gleichzeitig ihre Gewichtung in den Indizes stark gestiegen. Noch im Jahr 2018 hatten die zehn grössten Unternehmen im MSCI-Welt eine Gewichtung von 12%, verglichen mit den heutigen 25%.

 

Analyse der Bewertungsdynamik

Mittlerweile gibt es unzählige Indizes, welche sämtliche Aktien im Index gleich gewichten, um eine breitere Verteilung des investierten Kapitals zu erreichen. Interessanterweise schneiden diese Indizes im langfristigen Vergleich besser ab als die, welche Aktien nach Marktkapitalisierung gewichten. Die Phasen, in welcher die kapitalisierungsgewichteten Indizes eine Mehrrendite erwirtschaften, sind jedoch oftmals langjährig. Dies ist möglicherweise damit erklärbar, dass zuerst fundamentale Ertragstreiber den Kursanstieg von dominanten Unternehmen rechtfertigen, danach aber von übertriebenen Erwartungen abgelöst werden, welche schliesslich eine Bewertungskorrektur nach sich ziehen. In welcher dieser Phasen wir uns derzeit befinden, lässt sich noch nicht abschliessend beurteilen. Das Potenzial der künstlichen Intelligenz erscheint vielversprechend, die möglichen Veränderungen tiefgreifend. Aber auch die Risiken sind vielseitig, von technologischer Disruption durch neue Konkurrenzunternehmen bis hin zu staatlichen Eingriffen.

 

Hohe Indexgewichtungen und Bewertungsprämien bedeuteten noch nicht, dass diese Unternehmen überbewertet sind. Möglicherweise sind sie in Anbetracht der potenziellen Tragweite der künstlichen Intelligenz fair bewertet. Fair bewertet heisst aber auch, dass bereits ein positives Szenario für Ertragswachstum im Preis reflektiert ist. Sofern sich das eingepreiste Szenario als realistisch erweist, wird der zukünftige Kursanstieg mehr von Seiten tatsächlichen Ertragswachstums getrieben sein als von einer weiteren Ausweitung der Bewertungsprämie. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Entwicklung im Ausmass der letzten Jahre tief. Das beim Investieren relevante Verhältnis von Risiko und Ertrag hat sich entsprechend verschlechtert.

 

Mehrwert durch aktive Vermögensverwaltung

Für Investoren birgt dies verschiedene Risiken. Passive Investoren sind überproportional in anspruchsvoll bewerteten Grosskonzernen investiert. Aktive Investoren werden oftmals an Vergleichsindizes gemessen, deren Gewichtungen sich an der Marktkapitalisierung der Unternehmen orientiert. Wenn die Performance dieser Vergleichsindizes, wie es derzeit der Fall ist, von wenigen Aktien getrieben wird, welche zusätzlich und als Folge des starken Kursverlaufs eine hohe mediale Präsenz haben, steigt der Druck diese ebenfalls zu halten und in ähnlichem Ausmass wie die Vergleichsindizes zu gewichten.

 

Als Schweizer Investor ist einem die Kehrseite von Indexabhängigkeiten bestens bekannt. Hierzulande machen Nestlé, Roche, Novartis und die UBS mehr als die Hälfte des SMI-Index aus. Dieser Umstand ist mitverantwortlich dafür, dass der heimische Leitindex seit Jahren nicht mit der Performance des MSCI-Welt Index mithalten kann. Dass Grosskonzerne ein dominantes Gewicht in Indizes haben, ist global und im historischen Kontext nicht aussergewöhnlich. Dass sie langfristig gegenüber dem Gesamtmarkt eine Mehrrendite erzielen, hingegen schon. Denn abseits der medialen Aufmerksamkeit und Erwartungen der Trendinvestoren, erarbeitet eine Vielzahl von Unternehmen ansprechende Gewinnzuwächse, ohne dass man dafür eine Bewertungsprämie bezahlen muss.

 

Aktive Vermögensverwaltung kann hierbei langfristig entscheidenden Mehrwert schaffen, sofern unabhängig von Vergleichsindizes in Unternehmen investiert wird, bei denen Bewertung und Qualität in einem attraktiven Verhältnis stehen und sich die Gewichtung im Portfolio an diesem ausrichtet. Aus diesem Grund haben wir kürzlich einen Teil der Gewinne realisiert und in Unternehmen reinvestiert, bei denen wir ein attraktiveres Risiko-Ertrags-Verhältnis sehen. 

  

Zürich, Ende Juni 2024