Im letzten Anlagebericht haben wir uns der Fragestellung gewidmet, ob der Technologiesektor überbewertet ist, und sind zum Schluss gekommen, dass dies grundsätzlich nicht der Fall ist. Nachdem wir nun auf die erste Jahreshälfte zurückblicken können, drängt es sich auf, diese Fragestellung aus einer weiteren Perspektive zu beleuchten.
Insbesondere die grossen Technologie-Konzerne sind, nach einem erneut starken Anstieg, in den Indizes nicht nur hoch gewichtet, sondern gleichzeitig für einen Grossteil der diesjährigen Marktperformance verantwortlich. Im Technologie-Index Nasdaq ist dies am ausgeprägtesten. Die grössten zehn Unternehmen haben ein Gewicht von 52% und sind für 94% der diesjährigen Performance verantwortlich. Im breiter diversifizierten MSCI-Welt Index machen die grössten zehn Unternehmen 25% des Index aus und haben 62% zur Performance beigesteuert.
Das globale Wirtschaftswachstum ist tief, die Zinsen hoch und der Ausblick unklar. Gleichzeitig erleben wir eine Euphorie im Bereich der künstlichen Intelligenz und mittendrin sind die grössten Konzerne, welche die finanziellen Möglichkeiten besitzen in die Datenzentren zu investieren, welche die dafür notwendige Rechenleistung produzieren. Auch ohne Erträge durch Anwendungen der künstlichen Intelligenz, ist das Wachstum dieser Grosskonzerne beachtlich. Die Kombination dieser Faktoren hat die Investorenerwartungen steigen lassen und als Folge davon, sind die grössten zehn Unternehmen mittlerweile doppelt so teuer bewertet wie der Gesamtmarkt. Damit ist gleichzeitig ihre Gewichtung in den Indizes stark gestiegen. Noch im Jahr 2018 hatten die zehn grössten Unternehmen im MSCI-Welt eine Gewichtung von 12%, verglichen mit den heutigen 25%.
Mittlerweile gibt es unzählige Indizes, welche sämtliche Aktien im Index gleich gewichten, um eine breitere Verteilung des investierten Kapitals zu erreichen. Interessanterweise schneiden diese Indizes im langfristigen Vergleich besser ab als die, welche Aktien nach Marktkapitalisierung gewichten. Die Phasen, in welcher die kapitalisierungsgewichteten Indizes eine Mehrrendite erwirtschaften, sind jedoch oftmals langjährig. Dies ist möglicherweise damit erklärbar, dass zuerst fundamentale Ertragstreiber den Kursanstieg von dominanten Unternehmen rechtfertigen, danach aber von übertriebenen Erwartungen abgelöst werden, welche schliesslich eine Bewertungskorrektur nach sich ziehen. In welcher dieser Phasen wir uns derzeit befinden, lässt sich noch nicht abschliessend beurteilen. Das Potenzial der künstlichen Intelligenz erscheint vielversprechend, die möglichen Veränderungen tiefgreifend. Aber auch die Risiken sind vielseitig, von technologischer Disruption durch neue Konkurrenzunternehmen bis hin zu staatlichen Eingriffen.
Hohe Indexgewichtungen und Bewertungsprämien bedeuteten noch nicht, dass diese Unternehmen überbewertet sind. Möglicherweise sind sie in Anbetracht der potenziellen Tragweite der künstlichen Intelligenz fair bewertet. Fair bewertet heisst aber auch, dass bereits ein positives Szenario für Ertragswachstum im Preis reflektiert ist. Sofern sich das eingepreiste Szenario als realistisch erweist, wird der zukünftige Kursanstieg mehr von Seiten tatsächlichen Ertragswachstums getrieben sein als von einer weiteren Ausweitung der Bewertungsprämie. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Entwicklung im Ausmass der letzten Jahre tief. Das beim Investieren relevante Verhältnis von Risiko und Ertrag hat sich entsprechend verschlechtert.
Für Investoren birgt dies verschiedene Risiken. Passive Investoren sind überproportional in anspruchsvoll bewerteten Grosskonzernen investiert. Aktive Investoren werden oftmals an Vergleichsindizes gemessen, deren Gewichtungen sich an der Marktkapitalisierung der Unternehmen orientiert. Wenn die Performance dieser Vergleichsindizes, wie es derzeit der Fall ist, von wenigen Aktien getrieben wird, welche zusätzlich und als Folge des starken Kursverlaufs eine hohe mediale Präsenz haben, steigt der Druck diese ebenfalls zu halten und in ähnlichem Ausmass wie die Vergleichsindizes zu gewichten.
Als Schweizer Investor ist einem die Kehrseite von Indexabhängigkeiten bestens bekannt. Hierzulande machen Nestlé, Roche, Novartis und die UBS mehr als die Hälfte des SMI-Index aus. Dieser Umstand ist mitverantwortlich dafür, dass der heimische Leitindex seit Jahren nicht mit der Performance des MSCI-Welt Index mithalten kann. Dass Grosskonzerne ein dominantes Gewicht in Indizes haben, ist global und im historischen Kontext nicht aussergewöhnlich. Dass sie langfristig gegenüber dem Gesamtmarkt eine Mehrrendite erzielen, hingegen schon. Denn abseits der medialen Aufmerksamkeit und Erwartungen der Trendinvestoren, erarbeitet eine Vielzahl von Unternehmen ansprechende Gewinnzuwächse, ohne dass man dafür eine Bewertungsprämie bezahlen muss.
Aktive Vermögensverwaltung kann hierbei langfristig entscheidenden Mehrwert schaffen, sofern unabhängig von Vergleichsindizes in Unternehmen investiert wird, bei denen Bewertung und Qualität in einem attraktiven Verhältnis stehen und sich die Gewichtung im Portfolio an diesem ausrichtet. Aus diesem Grund haben wir kürzlich einen Teil der Gewinne realisiert und in Unternehmen reinvestiert, bei denen wir ein attraktiveres Risiko-Ertrags-Verhältnis sehen.
Zürich, Ende Juni 2024
Mit der Euphorie rund um das Thema Künstliche Intelligenz und der starken Performance des Technologiesektors seit Ende 2022 hat die Besorgnis zugenommen, dass der Sektor mittlerweile zu teuer sein könnte. Die Problematik bei der Beurteilung dieser Fragestellung ist vielschichtig. Der Technologiesektor setzt sich aus den drei Subsektoren Software, Hardware und Halbleiter zusammen. Jeder dieser drei Subsektoren weist unterschiedliche Nachfragedynamiken, Margenprofile, Wachstumsraten und Bewertungen auf. Sowohl der gesamte Sektor als auch die Subsektoren sind geprägt von Apple, Microsoft und NVIDIA, welche mit Marktkapitalisierungen von mehreren Billionen USD zusammen rund die Hälfte des Technologiesektors ausmachen. Seit 2018 sind zudem grosse Technologiekonzerne wie Alphabet (ehemals Google) und Meta (ehemals Facebook) dem Kommunikations- und nicht mehr dem Technologiesektor zugeteilt. Pauschale Gesamtbeurteilungen werden diesen Gegebenheiten somit nicht gerecht.
In dieselbe Kategorie gehören für uns auch regionale Beurteilungen. Eine Aussage wie «Europa ist im Vergleich zu den USA attraktiv bewertet», ist ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Zusammensetzung der Sektoren nicht aussagekräftig. Während in Europa die Finanz- und Industriesektoren mit jeweils rund 15% das grösste Gewicht haben, ist in den USA der Technologiesektor mit rund einem Drittel der mit Abstand gewichtigste Sektor. Dass der Finanzsektor, insbesondere seit der Finanzkrise nicht den besten Leistungsausweis aufweist, während Technologie ständig an Bedeutung gewinnt, ist unbestritten. Der zunehmenden Technologisierung mit Trends wie Smartphones, Cloud Computing und zuletzt künstlicher Intelligenz, können sich weder Konsumenten noch Unternehmen entziehen. Entsprechend hat dieser Anteil an der Wirtschaftsleistung zugenommen, was richtigerweise in der Marktkapitalisierung widerspiegelt wird.
Zur spezifischen Beurteilung der Bewertung greift das vielbeachtete Kurs/Gewinn Verhältnis zu kurz. Der Kurs widerspiegelt nicht nur den aktuellen Gewinn, sondern auch dessen Wachstumsaussichten. Der gesamte Technologiesektor weist ein deutliches Mehrwachstum gegenüber dem Gesamtmarkt aus. Insbesondere in einem wirtschaftlich anspruchsvollen Umfeld ist dies unabdingbar, um mit der Inflation schritthalten zu können. Insofern betrachtet ist eine Bewertungsprämie basierend auf dem aktuellen Gewinn gegenüber dem Gesamtmarkt gerechtfertigt.
Von zusätzlicher Bedeutung ist, dass Gewinnwachstum sowohl durch Umsatzsteigerungen als auch mit Effizienzgewinnen erzielt werden kann. Letzteres führt aufgrund der Skalierbarkeit zu überdurchschnittlich hohen Margen im Technologiesektor. Diese könnten gemäss unserer Einschätzung, insbesondere bei den grossen Technologieunternehmen noch höher ausfallen. Bis vor kurzem, stand Effizienz aufgrund des starken Wachstums nicht im Vordergrund.
Unter Berücksichtigung sämtlicher erwähnten Faktoren, ist die Bewertung des Technologiesektors im Vergleich zum Gesamtmarkt tatsächlich anspruchsvoller geworden. Gleichzeitig hat sich das Mehrwachstum im derzeitigen Umfeld akzentuiert. Vereinzelt mögen die Zukunftserwartungen an die künstliche Intelligenz zu Bewertungen geführt haben, welche der Gewinnentwicklung etwas zu weit vorausgeeilt ist. Über den gesamten Sektor betrachtet erachten wir die Bewertung jedoch in einem angemessenen Verhältnis zum Wachstum.
Als aktiver Investor haben wir das Privileg, nicht den gesamten Sektor kaufen zu müssen. Unser Fokus besteht ausnahmslos darin die Unternehmen zu finden, bei welchen die Ertragsaussichten in einem attraktiven Verhältnis zur Bewertung stehen.
Zürich, Ende März 2024
Auch wenn der Zeitpunkt des Jahresendes willkürlich ist, lohnt es sich regelmässig die Vergangenheit Revue passieren zu lassen und ein paar Lehren für die Zukunft mitzunehmen. Im vergangenen Jahr konnten wir einmal mehr feststellen, wie sehr der Konsens bei komplexen Fragestellungen in die Irre führen kann. Der Grossteil der Marktteilnehmer und Ökonomen hat für 2023 einen negativen Wirtschaftsverlauf vorhergesehen. Auch unsere Einschätzung war im Nachhinein betrachtet nicht positiv genug, um der starken Marktentwicklung gerecht zu werden. Vielfältige Herausforderungen prägten das wirtschaftliche Geschehen. Die ausserordentlich hohe Inflation hat die Zentralbanken dazu gezwungen, starke Zinserhöhungen vorzunehmen und eine restriktive Geldpolitik zu betreiben. Nach einer langjähriger Tiefzinsphase waren Unternehmen, Konsumenten und Staaten plötzlich mit steigenden Zinsen und deren vielseitigen Auswirkungen konfrontiert.
Mittlerweile haben sich die globalen Lieferkettenengpässe grösstenteils normalisiert. Damit wurde ein gewichtiger Treiber des Inflationsdrucks abgeschwächt. Dies hat es den Zentralbanken ermöglicht im zweiten Halbjahr mit Zinserhöhungen zu pausieren und eine abwartende Position einzunehmen. Damit hat sich ein wichtiger Unsicherheitsfaktor stabilisiert, was der Bewertung der Finanzmärkte zugutekommt. Die Risikoprämie der Aktien gegenüber festverzinslichen Staatsanleihen konnte deshalb trotz allen Unsicherheiten auf tiefem Niveau verharren. Die kräftigen Kursanstiege widerspiegeln einerseits die rückläufigen langfristigen Zinsen und die vom Markt für 2024 erwarteten Zinssenkungen der Zentralbanken. Andererseits sind die Unternehmensgewinne des Gesamtmarkts stets weitergewachsen und haben im Gegensatz zur Kursentwicklung bereits neue Höchststände erreicht. Diese beiden Faktoren haben die Bewertung sowohl absolut wie auch relativ attraktiver gemacht und entsprechend das erfreuliche Börsenjahr ermöglicht. Die meisten Unternehmen konnten trotz schwächelnder Wirtschaft und teils rückläufigen Absatzvolumen Preiserhöhungen an die Kundschaft weitergeben und den Umsatz steigern. Kaufkraftbereinigt zeigt sich zwar ein weniger beindruckendes Bild, dennoch fühlt sich ein nominales Wachstum bei realer Stagnation vermeintlich besser an als eine nominale Stagnation auf Umsatz- und Gewinnebene.
Als aktiver Investor ist es unser Ziel, in die weltweit besten Unternehmen zu investieren, welche nicht nur die Kaufkraft sichern, sondern langfristig eine Mehrrendite gegenüber dem Mark erwirtschaften. Dabei berücksichtigen wir die gesamtheitliche Ertragskraft, welche Gewinnwachstum, Dividenden, Aktienrückkäufe und Verschuldung Rechnung trägt. Basierend auf diesen Faktoren durchleuchten wir regelmässig sämtliche kotierten Unternehmen, welche für uns als Investition in Frage kommen. Dabei stellen wir immer wieder mit Faszination fest, wie erfolgreich viele Unternehmen arbeiten und dabei sowohl Kunden wie auch Inhabern durch Innovation und Effizienz einen Mehrwert generieren. Wenn wir diese fundamentalen Eindrücke mit historischen Daten unterlegen, fällt es uns nicht schwer positiv in die Zukunft zu schauen. Eine Statistik, welches dieses Empfinden untermauert, ist die Anzahl Jahre, welche es durchschnittlich benötigt, bis ein Portfolio neue Höchststände erreicht. Die untenstehende Grafik zeigt, dass ausgewogene Mandate durchschnittlich alle drei Jahre einen neuen Bewertungshöchststand erreichen. Insbesondere nach starken Korrekturen lohnt es sich, dies vor Augen zu halten.
Eine tiefere Aktienquote verkürzt diese Dauer zusätzlich, allerdings zu Lasten der langfristigen Rendite. Vielseitige Gefahren, sei es Inflation, geopolitische Ereignisse und grundlegende wirtschaftliche Veränderungen sind im historischen Kontext nicht aussergewöhnlich und in dieser Datenmenge repräsentiert. Aus evolutionären Gründen neigen wir dazu, Gefahren überzubewerten, weil dies für das Überleben entscheidend war. Ebenso natürlich ist jedoch das Bestreben sämtlicher Marktteilnehmer, das jeweilige Umfeld bestmöglich zu manövrieren. Entsprechend kommen die besten Unternehmen gestärkt aus schwierigen Phasen zurück.
Was können wir für 2024 erwarten? Die aktuellen Wirtschaftsindikatoren zeigen weiterhin ein getrübtes Bild und die seit mehreren Quartalen vom Konsens erwartete Rezession bleibt weiterhin möglich. Mit Sicherheit steht fest, dass 2024 ein politisches Rekordjahr wird. In mehr als 50 Ländern wird eine neue Regierung gewählt. Wahljahre sorgen nicht nur für ausreichend kontroversen Gesprächsstoff, sondern sind zumindest kurzfristig auch ein positiver Treiber für die Wirtschaft. Mehrere Studien zeigen, dass Regierungen in Wahljahren besonders ausgabefreudig sind. Die Staatsverschuldung wird daher ausgabenseitig weiterhin Gegenwind ausgesetzt sein und unter Umständen von Zentralbankmassnahmen begleitet werden. Dies könnten nebst Zinssenkungen auch deren Bilanzen wieder ansteigen lassen. Wie immer sind somit ausreichend Gründe vorhanden, um sowohl eine positive wie negative Einschätzung begründen zu können. Entscheidend ist, wie die Entwicklung sich von den im Preis reflektierten Erwartungen unterscheidet. Diesbezüglich stellen wir fest, dass die Marktteilnehmer zwar weniger pessimistisch sind als noch vor einem Jahr, es jedoch keine Anzeichen für eine breit abgestützte Euphorie gibt. Dies zeigt sich auch in den Bewertungsunterschieden der verschiedenen Aktiensektoren. Während die Bewertung insbesondere im Technologiesektor teilweise bereits hohe Wachstumsraten vorwegnimmt, diskontiert ein Grossteil der Bewertungen eher rückläufige Gewinne. Dies bietet uns die Möglichkeit von relativen Bewertungsdifferenzen zu profitieren und entsprechend Anpassungen im Portfolio vorzunehmen. In Anbetracht der dynamischen Marktbedingungen bleiben wir unserer Strategie treu, durch sorgfältige Analyse und selektive Investitionen langfristigen Mehrwert für unsere Anleger zu schaffen.
Zürich, Ende Dezember 2023
Der Gesamtmarkt beinhaltet sämtliche Unternehmen und ist somit per Definition durchschnittlich in Bezug auf Qualität, Bewertung und Rendite. Die eigenen Investitionen mit dem Gesamtmarkt zu vergleichen, erscheint somit als angemessene Ausgangslage, weil das Ziel sein sollte eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen. Immer wieder kommt es zu Übertreibungen, welche dazu führen, dass gewisse Segmente des Marktes zum ungünstigsten Zeitpunkt überproportional vertreten sind. Um die Jahrtausendwende waren dies Technologieunternehmen, in der Finanzkrise 2007 war es die Finanzindustrie und 2021 waren es teuer bewertete Wachstumsaktien und Anleihen mit langen Laufzeiten. Dies ist auch in die umgekehrte Richtung zutreffend. Vernachlässigte und unterbewertete Sektoren sind im Gesamtmarkt temporär unterrepräsentiert.
Wird der Markt nachgebildet oder der Vermögensverwalter kurzfristig an diesem gemessen, ohne die Positionierung zu hinterfragen und abweichende Entscheidungen mit langfristigem Anlagehorizont zu treffen, besteht die Gefahr zum ungünstigsten Zeitpunkt temporären Übertreibungen exponiert zu sein. Der Umstand, dass diese Zeitperioden oftmals von intensiver medialer Berichterstattung und entsprechend grossem Interesse von Privatinvestoren begleitet sind, erschweren die Situation zusätzlich.
Das letzte Jahr dient als gutes Beispiel zur Veranschaulichung. Als die Zinsen ihre Tiefststände erreicht hatten und erwartet wurde, dass dieser Zustand anhalten würde, spielten Bewertungen aufgrund fehlender Opportunitätskosten eine untergeordnete Rolle. Der Fokus der Investoren galt Aktien mit den interessantesten Wachstumsgeschichten sowie Aktien mit stetigen Erträgen, welche als Ersatz für Anleihen betrachtet und entsprechend teuer bewertet waren. Mit der Rückkehr der Zinsen ist auch die Schwerkraft an die Märkte zurückgekehrt. Die Erträge der Gegenwart und Zukunftsvisionen müssen sich wieder mit beträchtlichen festverzinslichen Alternativen messen.
In Bezug auf Anleihen gilt es insbesondere auf die Kapitalbindungsdauer (Duration) beziehungsweise das Laufzeitenrisiko zu achten. Wie in den anfangs erwähnten Beispielen des Aktienmarkts, war auch hier die Marktpositionierung zum ungünstigsten Zeitpunkt am extremsten ausgeprägt. Als der Schweizer Anleihenmarkt im Jahr 2020 eine negative Verfallsrendite auswies, hat die Kapitalbindungsdauer ihren Höhepunkt erreicht. Hat man die Laufzeiten des Anleihenmarktes beziehungsweise der Vergleichsindexe nachgebildet, hat man sein Kapital für knapp acht Jahre bei negativen Zinsen fixiert, während man jahrelang zuvor in wesentlich kürzere Restlaufzeiten investiert war. Auch die übrigen Hauptwährungen zeigen ein ähnliches Bild von dieser Zeitperiode. Die untenstehende Grafik zeigt, wie die Restlaufzeiten des Anleihenmarkts stetig zugenommen haben, je tiefer die Zinsen gefallen sind.
Verfallsrendite vs. Kapitalbindungsdauer
(SBI AAA-BBB)
Unternehmen haben die Tiefzinsphase genutzt, um lange Anleihen zu emittieren und langfristig von tiefen Zinsen zu profitieren. Gleichzeitig haben die tiefen Coupons dazu geführt, dass Anleger nicht nur das Kapital lange zur Verfügung gestellt haben, sondern während dieser Zeit auch nur geringfüge Geldflüsse aus den Anleihen erhalten werden, welche zu aktuellen Zinsen reinvestiert werden können. Entsprechend stark haben langfristige Anleihen korrigiert, um das neue Zinsumfeld zu widerspiegeln.
Als aktiver und unabhängiger Investor sehen wir unsere Aufgabe darin, den Markt aber auch unsere Positionierung ständig zu hinterfragen, die Risiken abzuwägen und kurzfristigem Druck standzuhalten, um langfristig das Richtige für unsere Kunden zu tun. Dies ermöglicht unseren Portfolios kurzfristige Übertreibungen schadlos zu überstehen und der gewählten Strategie über den gesamten Wirtschaftszyklus treu zu bleiben.
Wir erachten das derzeitige Umfeld als anspruchsvoll, weil wir einen beträchtlichen Zinsanstieg in kurzer Zeit erlebt haben, welcher sich mit einer Verzögerung auf Staaten, Unternehmen und Privathaushalte auswirkt. Der Einfluss höherer Zinsen ist vielseitig und komplex und auch für die Bewertung von Vermögenswerten grundlegend. Als erste Folge davon haben wir zu Beginn des Jahres den Konkurs der Silicon Valley Bank sowie die Übernahme der Credit Suisse, begleitet von staatlichen Interventionen, erlebt. Die Staaten ihrerseits sind mit wesentlich höheren Zinskosten konfrontiert, welche die stetig steigende Schuldenlast zusätzlich erhöht. Die Konsumenten haben nebst höheren Zinsen mit gestiegenen Lebenskosten zu kämpfen, was die vom Covid-Lockdown überschüssigen Ersparnisse allmählich aufbrauchen lässt.
Die beachtlichen Ausschläge an den Märkten sind ein Spiegelbild dieser Umstände und der grossen Verschiebungen in den Konsenserwartungen der Marktteilnehmer – von nachhaltig tiefen Zinsen und temporärer Inflation aufgrund Covid hin zu erwarteter Rezession aufgrund starkem Zinsanstieg im letzten Jahr und mittlerweile erwarteter sanfter Abschwächung der Wirtschaft trotz höherer Zinsen. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Konsens erneut falsch liegt. Je langfristiger der eigene Anlagehorizont, desto verlässlicher kann die eigene Strategie ausgerichtet werden.
Für uns steht die Robustheit unserer Investitionen unabhängig des eintreffenden Szenarios im Vordergrund. Die von uns gehaltenen Unternehmen haben in der Vergangenheit bewiesen, schwierige Marktphasen erfolgreich überstehen zu können. Dank führender Marktposition konnten steigende Kosten an den Endkonsumenten weitergegeben werden. Aufgrund strukturell wachsender Produkte und Dienstleistungen konnten Skaleneffekte aufrechterhalten werden. Die tiefe Verschuldung hält zudem die Zinslast in Grenzen. Sowohl die Ertragsrendite unserer gehaltenen Aktien wie auch die Zinsrendite der Anleihen haben sich über die letzten Monate erhöht, was grundsätzlich positiv ist. Für den weiteren Verlauf ist entscheidend, wann und auf welchem Niveau sich die Zinsen stabilisieren beziehungsweise ihren Höhepunkt finden. Dies wiederum ist vom Pfad der Inflation und Wirtschaft abhängig. Anstelle einer abschliessenden Prognose achten wir darauf, agil zu bleiben, die sich ständig ändernde Datenlage zu analysieren und von Opportunitäten zu profitieren, welche sich aufgrund des anspruchsvollen Umfelds ergeben. Die Situation isoliert zu betrachten greift zu kurz, entscheidend ist, was aufgrund der Erwartungen der Marktteilnehmer bereits im Preis der Vermögenswerte abgebildet ist.
Zürich, Ende September 2023
Eine wichtige Kenngrösse zur Beurteilung der Marktbewertung ist die Risikoprämie. Je höher diese ausfällt, desto besser wird der Investor für die eingegangen Risiken entschädigt. Die Risikoprämie ist die Differenz zwischen der Gewinnrendite von Aktien und derer risikofreier Staatsanleihen.
Die Gewinnrendite entspricht dem Unternehmensgewinn im Verhältnis zum Kurs. Diese ist aktuell relativ hoch, da die Gewinne im Verhältnis zur Kursentwicklung überproportional gestiegen sind. Die positive Gewinnentwicklung des Gesamtmarktes ist Ausdruck davon, dass Unternehmen in der Lage waren, die Inflation mindestens teilweise zu kompensieren.
Die Renditen festverzinslicher Staatsanleihen sind noch stärker gestiegen als die Gewinnrendite der Unternehmen. Als Resultat ist die nominale Risikoprämie gefallen.
Um schliesslich die Höhe der aktuellen Risikoprämie von Aktien effektiv beurteilen zu können, muss die Gewinnrendite ins Verhältnis zur inflationsbereinigten Rendite von Staatsanleihen gesetzt werden. Da die reale Verzinsung von risikofreien Staatsanleihen tiefer ausfällt, ergibt sich eine höhere reale Risikoprämie der Aktien. So betrachtet entsteht ein neutrales Bild der Bewertung des Gesamtmarktes.
Die Risikoprämien verschiedener Sektoren und Einzelaktien variieren stark und widerspiegeln die Differenzen der Investorenerwartungen. Unternehmen versuchen fortlaufend Effizienzsteigerungen zu erzielen und dank grösserer Absatzmengen Skaleneffekte zu realisieren. Dadurch werden tiefe Inflationsraten zu einem gewissen Grad kompensiert. Bei schnell ansteigender Inflation, wie dies bis vor Kurzem der Fall war, sind Unternehmen gezwungen, die höheren Kosten (Material, Personal, Energie usw.) unmittelbar an den Endkunden weiterzugeben, um die eigene Profitabilität aufrecht zu halten. Gut positionierte Unternehmen, deren Produkte konstante Nachfrage geniessen gelingt dies besser als solchen mit einfach zu substituierenden Produkten. Selbst schwächer positionierte Unternehmen konnten teilweise Umsatz- und Gewinnsteigerungen erzielen, indem Preiserhöhungen rückläufige Absatzvolumen mehr als kompensiert haben. Letzteres veranschaulicht eindrücklich die verzerrte Wahrnehmung, welche hohe nominale Wachstumsraten verursachen. Auch Lohnsteigerungen, welche sich kurzfristig positiv auf die Konsumentenstimmung auswirken, fallen in diese Kategorie. Das Konzept der monetären Illusion besagt, dass der Mensch sich auf nominale Zahlen fokussiert und die Inflation dabei zu wenig berücksichtigt. Der effektive Kaufkraftverlust wird vernachlässigt bzw. verspätet wahrgenommen. Ein nominales Wirtschaftswachstum von 5% bei 7% Inflation fühlt sich demnach besser an als ein 0% Wachstum mit 2% Inflation.
Dennoch zeigt sich, dass die höheren Zinsen das Umfeld in vielerlei Hinsicht anspruchsvoller gestaltet haben. Hohe Bewertungen müssen mit stetigen Gewinnsteigerungen gerechtfertigt werden, Enttäuschungen werden umgehend abgestraft. Zu spüren bekommen haben dies beispielsweise die grossen Profiteure des Covid exponierten Gesundheits-Sektors, welche mit dem Wachstum der vergangenen Jahre nicht mithalten können und deren Kursentwicklung schwächer als der Gesamtmarkt ausfiel. Grundsätzlich hat das erste Halbjahr aber gezeigt, dass die Wirtschaftsaussichten zu negativ waren, bzw. die antizipierte Abkühlung vorerst ausblieb.
Höhere Zinsen benötigen Zeit bis sie vollständig im Wirtschaftskreislauf ankommen. Gleichzeitig sind höhere Zinsen nicht gleichbedeutend mit zu hohen Zinsen für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum. So geben die vielseitigen Wirtschaftsindikatoren derzeit ein uneinheitliches Bild ab. Die Zentralbanken werden die Zinsen aller Voraussicht nach erhöht halten, bis die Inflation endgültig unter Kontrolle scheint. Für die Entwicklung der Realzinsen ist der nachhaltige Pfad der Inflation entscheidend.
Das Umfeld für die Wirtschaft und Investitionen bleibt weiterhin anspruchsvoll und erfordert eine tiefgründige, agile Analyse der Vermögenswerte, um bestmöglich auf verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein. Dank ausschliesslicher Direktanlagen können wir die Entwicklungen sämtlicher gehaltener Unternehmen genau überwachen und entsprechend früh reagieren, sollte dies angebracht sein. Des Weiteren achten wir auf eine ausgewogene Verteilung der Aktiencharakteristiken, um eine robuste Portfolioentwicklung zu gewährleisten. Insbesondere das letzte Jahr hat gezeigt, dass es nicht ausreichend ist auf Wachstum zu setzen, sondern für die nachhaltige Wertentwicklung, der Bewertung mindestens gleich viel Beachtung geschenkt werden muss. Ein relativer Bewertungsabschlag, gegenüber dem Markt und vergleichbaren Unternehmen, führt zu einer Sicherheitsmarge, um Unvorhersehbarkeiten besser absorbieren zu können. Im derzeitigen Umfeld gilt es weder bei der Qualität noch bei der Bewertung Kompromisse einzugehen.
Trotz vielseitiger Risiken hat es sich einmal mehr bewährt, der langfristigen Strategie treu zu bleiben, diszipliniert die besten Unternehmen im Portfolio zu halten und deren stetigem Streben nach Wachstum und Effizienz, unabhängig des Marktumfelds, zu vertrauen. Die unterschiedlichen Entwicklungen der Einzelpositionen haben wir genutzt, um Gewinne von stark gestiegenen, zyklischen Aktien abzuschöpfen und diese in attraktive defensivere Opportunitäten zu reinvestieren.
Zürich, Ende Juni 2023.
Geschäftsmodelle, Konsum- und Investitionsverhalten sowie auch die Bewertung von Vermögenswerten, alles wird durch den wichtigsten Treiber der Wirtschaft beeinflusst – dem Preis des Geldes, d.h. den Zinsen. Interessanterweise wird genau dieser, in der sogenannten freien Marktwirtschaft, nicht dem Markt überlassen, sondern durch die Zentralbanken gesteuert. Damit wird versucht, den Wirtschaftszyklus zu stabilisieren und die Inflation konstant zu halten. Die Ereignisse in den letzten Wochen haben gezeigt, dass die freie Marktwirtschaft auch anderweitig ihrer Definition nicht vollständig gerecht wird, als erneut mehrere Banken mit staatlichen Eingriffen gerettet wurden. Banken sind aufgrund tiefem Eigenkapital im Verhältnis zur Gesamtbilanz besonders fragil, weshalb nun die ersten Konsequenzen der stark steigenden Zinsen in diesem Sektor zum Vorschein gekommen sind. Wenn etwas fundamental fragil ist, ist es von externen Faktoren wie Vertrauen oder Hoffnungen abhängig. Bei unseren Investitionen achten wir auf möglichst geringe Abhängigkeiten von einzelnen externen Faktoren. Eine robuste Ertragskraft über den gesamten Wirtschaftszyklus in Kombination mit einer tiefen Verschuldung im Verhältnis zur Stabilität der Erträge bilden dafür die Grundlage. Wir verlassen uns bei unseren Investitionen nicht auf Visionen, Fremdkapitalgeber oder gar den Staat.
Die Nebenwirkungen der tiefen Fremdkapitalkosten sind vielseitig. Einerseits konnten dank niedriger Zinsen Kreditnehmer mit Leasing, Hypotheken oder Unternehmenskrediten von vernachlässigbaren Fremdkapitalkosten profitieren, was Konsum und Investitionen stark stimuliert hat. Andererseits werden dadurch Konsum und Geschäftsmodelle ermöglicht, welche bei normalen Zinsen nicht aufrechterhalten werden können. Dies führt zu einer Fehlallokation von Ressourcen, was insbesondere auf Ebene der Arbeitskräfte nachteilig für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung ist. Sparer hingegen mussten ihr Geld investieren, um die Aussicht auf eine Rendite aufrechtzuerhalten. Entsprechend gross war die Nachfrage nach Vermögenswerten und als Folge davon deren Preisanstieg. Mit den höheren Zinsen hat sich die Ausgangslage spürbar verändert. Investitionen in Anleihen, Geldmarktfonds und sogar das Sparkonto, werfen wieder Zinsen ab. Diese kompensieren zwar die derzeit hohen Inflationsraten nicht, aber leisten nominal einen spürbaren Beitrag zur Minderung der Kostenanstiege. Gleichzeitig sind Kreditnehmer mit höheren Kapitalkosten und die Bevölkerung allgemein mit höheren Preisen aufgrund der Inflation konfrontiert. All dies verlangsamt die wirtschaftliche Entwicklung. Dennoch zeigt sich der Konsument, auch dank tiefer Arbeitslosigkeit, weiterhin in guter Verfassung und scheint nach den Covid Entbehrungen weiterhin Nachholbedarf zu haben.
Zentralbanken weltweit versuchen derzeit herauszufinden, wie hoch die Zinsen steigen müssen, um die Nachfrage besser in Einklang mit dem Angebot zu bringen und die Preise stabilisieren zu können. Höhere Zinsen brauchen Zeit, bis sie ihre volle Wirkung entfalten. Während die Bewertung von börsenkotierten Vermögenswerten am schnellsten auf Veränderungen des Zinsniveaus reagieren, dauert es je nach Laufzeit des Fremdkapitals Jahre bis die Zinskosten für den Kapitalnehmer effektiv ansteigen. Aufgrund der Instabilität des Banksektors sind die Zentralbanken nun mit der Aufgabe konfrontiert, die Balance zwischen Inflationsbekämpfung und Finanzsystemstabilisierung zu finden. Sowohl hohe Inflationsraten wie auch eine Destabilisierung des Finanzsystems hätten weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen.
Aufgrund der langen Tiefzinsphase und der Geschwindigkeit der Zinserhöhungen, ist es gut möglich, dass im Verlaufe der Zeit weitere Fragilität bzw. Konsequenzen der Tiefzinsphase zum Vorschein kommen. Im Verlauf der nächsten Quartale wird sich ein klareres Bild offenbaren, inwiefern die Zinswende strukturell oder temporär ausfallen wird. Besonders in Zeiten wie diesen, lohnt es sich auf verlässliche Werte zu setzen. In unserem Fall ist dies die überdurchschnittliche Qualität unserer gehaltenen Investitionen sowie die relativ kurzen Laufzeiten der Anleihen, um agil zu bleiben.
Zürich, Ende März 2023.
Rückblick
Eine ausgewogene Anlagestrategie hat zum Ziel, verschiedene Einflussfaktoren auszubalancieren und die Rendite zu stabilisieren. Ein Investor in Anleihen stellt Unternehmen Fremdkapital zur Verfügung und wird dafür in der Regel mit einem fixen Zinssatz entschädigt. Ein Investor in Aktien ist Miteigentümer und partizipiert somit am Gewinn bzw. Verlust eines Unternehmens. Wächst die Wirtschaft, steigen tendenziell die Unternehmensgewinne und Aktien werfen eine höhere Rendite ab als festverzinsliche Anleihen. In unsicheren Zeiten suchen Investoren hingegen die sicheren Erträge der Anleihen. Üblicherweise gewinnen somit Anleihen an Wert, wenn Aktien negativen Entwicklungen ausgesetzt sind.
Nicht so in diesem Jahr. Ausgewogen investierte Investoren hatten eines der schlechtesten Jahre zu verzeichnen. Ein wichtiger Grund dafür lag darin, dass die Einschätzung des Marktes innerhalb kürzester Zeit, von anhaltend tiefer Inflation hin zu Angst vor nachhaltig zu hoher Inflation gewechselt hat. In diesem Kontext haben die Tiefst-Zinsen der vergangenen Jahre ihre Berechtigung verloren, was zu einer starken Korrektur festverzinslicher Anleihen geführt hat. Als Folge der höheren Zinsen haben auch Aktien korrigiert, weil deren Bewertung bzw. Gewinnrendite, in direkter Konkurrenz zu den Zinsen der Anleihen stehen.
Ein mehr als vierzigjähriger Trend sinkender Zinsen hat mit negativen Nominalrenditen im letzten Jahr seinen Höhepunkt erreicht und eine dramatische Kehrtwende erlebt. Entsprechend stark haben bisherige Profiteure dieses Trends an Wert eingebüsst, insbesondere Anleihen mit langer Laufzeit und teuer bewertete, defensive Qualitäts- sowie Wachstumsaktien.
Ausblick
Nachdem die US-Notenbank die Zinsschraube mit historischer Geschwindigkeit und Ausmass angezogen hat und Notenbanken weltweit dem Beispiel gefolgt sind, stellt sich nun die Frage wie gut dieses Zinsniveau von Konsumenten, Unternehmen und Staaten absorbiert werden kann. Einerseits strapazieren die höheren Zinsen und die gestiegenen Preise vieler Güter das Budget. Andererseits erweist sich der Arbeitsmarkt weiterhin als sehr robust, die Lohnverhandlungen als aussichtsreich und die Nachfrage stagniert auf hohem Niveau. Da nun auch China die Covid Massnahmen lockert, ist die Gesamtheit der Nachfrage-Effekte derzeit schwer abzuschätzen.
Sollte sich die Wirtschaft abschwächen, kann eine Zinsstabilisierung stattfinden, was sich stützend auf die Bewertung der Aktien auswirken würde. Weniger positiv dürfte dann allerdings die Gewinnentwicklung der Unternehmen ausfallen. Die verschiedenen Wechselwirkungen von Wachstum, Inflation, Zinsen und Bewertungen führen zu einer ausserordentlich anspruchsvollen Situation. Im Unterschied zur letztjährigen Ausgangslage leisten die Zinsen der Anleihen wieder einen Beitrag zur positiven Portfolioentwicklung. Die Bewertung des Aktienmarktes widerspiegelt das höhere Zinsniveau sowie zumindest teilweise, die von der Mehrheit der Ökonomen erwartete Wirtschaftsabkühlung im nächsten Jahr.
Fazit
Es empfiehlt sich für verschiedene Szenarien vorbereitet zu sein und eine langfristige Perspektive einzunehmen. Die derzeitigen Zinsen bieten eine stabile Ertragsquelle, weshalb wir die Anleihenquote erhöht und unsere Laufzeiten etwas verlängert haben. Aufgrund des starken Zinsanstiegs und den daraus folgenden Veränderungen und Risiken für Markt und Wirtschaft, erachten wir eine neutrale Aktienquote derzeit als angemessen. Die mittlerweile weniger anspruchsvollen Bewertungen stimmen uns als langfristigen Investor positiv. Wir erwarten, dass die Unsicherheiten andauern und die Marktentwicklung herausfordernd bleibt. Wir erachten dies jedoch als gute Gelegenheit neue Investitionen zu identifizieren, welche aufgrund des derzeitigen Umfelds einen Bewertungsabschlag aufweisen. In dieser Situation messen wir der Robustheit unserer Portfolios weiterhin höchste Priorität zu.
Zürich, Ende Dezember 2022.
Tiefe Inflationsraten in Begleitung von tiefen Zinsen haben hohe Bewertungen von Vermögenswerten begünstigt. Nach rund 40 Jahren hat dieser Trend mit der Covid-Krise den temporären Höhepunkt erreicht. Die strukturellen Treiber tiefer Inflationsraten sind erstmals seit langem einem Gegenwind ausgesetzt. Die Globalisierung, insbesondere die vollständige Auslagerung der Produktion, ist aufgrund geopolitischer Spannungen in Frage gestellt. Abhängigkeiten in der Energieversorgung haben unterschätzte Risiken zum Vorschein gebracht. Der technologische Fortschritt ist weiterhin unaufhaltsam, jedoch zurzeit von Lieferengpässen ausgebremst und nicht schnell genug, um den abrupt verändernden Umständen entgegenzuwirken. Zudem bietet die tiefe Arbeitslosigkeit Arbeitnehmenden eine aussichtsreiche Verhandlungsposition für Lohnerhöhungen.
Während die Angebotsseite mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert ist, hat sich die Nachfrageseite, auch dank staatlicher Unterstützung, vollständig erholt und beansprucht die bereits angespannten Lieferketten zusätzlich. Verschiedene Studien haben sich diesem Thema gewidmet und sind zur Erkenntnis gelangt, dass sowohl Angebot wie auch Nachfrage signifikant zur derzeit hohen Inflation beitragen. Im Gegensatz zur Nachfrage, benötigt die Angebotsseite Zeit und Investitionen, um diesen Herausforderungen zu begegnen.
Mit aussergewöhnlich hohen Zinsschritten versucht die amerikanische Zentralbank derzeit die Nachfrage einzudämmen und die übrigen Zentralbanken ziehen in unterschiedlichem Ausmass nach. Von Unternehmens-, Konsum- bis hin zu Hypothekarkrediten, eine restriktivere Geldpolitik trifft Konsumenten, Investoren sowie Unternehmen. Beinahe kostenfreies Fremdkapital hat bis vor kurzem Finanzierungen ermöglicht, welche bei höheren Kapitalkosten nicht mehr rentabel bzw. tragbar sind. In Kombination mit höheren Preisen, insbesondere Energiekosten, soll sich dadurch die wirtschaftliche Aktivität abkühlen, bis sich die Lieferketten wieder normalisiert haben und das Angebot mit der Nachfrage schritthalten kann. Mit einer abflachenden Nachfrage soll auch dem angespannten Arbeitsmarkt entgegengewirkt werden. Denn breit abgestützte Lohnerhöhungen im Umfang der derzeitigen Inflation könnten die Inflationsspirale endgültig in Gang setzen.
Bereits ersichtlich sind die Konsequenzen höherer Zinsen auf die Bewertung von Vermögenswerten, welche teils signifikant korrigiert hat. Mit Zinsen und somit Kapitalkosten nahe null, bestanden in den letzten Jahren kaum Opportunitätskosten. Entsprechend hat bisweilen eine gute Vermarktung ausgereicht, um eine Unternehmensbewertung in die Höhe zu treiben. Gewinne in der Gegenwart und finanzielle Bewertungskriterien sind dabei in den Hintergrund gerückt. Dieses Jahr hat Investoren eindrücklich daran erinnert, dass es nicht ausreicht einfach gute Unternehmen mit attraktiven Wachstumsaussichten zu kaufen. Die Bewertung ist langfristig ebenso entscheidend für den Erfolg einer Investition. Mit dem Ende des Tiefzinsumfelds, kommt der Bewertung wieder eine bedeutendere Rolle zu. Höhere Zinsen bedeuten höhere Opportunitätskosten und führen zu einer tieferen Bewertung zukünftiger Unternehmensgewinne. Je höher die Bewertung, desto mehr kommt dieser Basiseffekt zum Tragen. Wie schnell sich einzelne Unternehmen von dieser Bewertungskorrektur erholen, steht somit in direktem Zusammenhang dazu, wie hoch die Bewertung ursprünglich war. Des Weiteren kommt erschwerend hinzu, dass das derzeitige Umfeld mit höheren Inputkosten und sich abkühlender Nachfrage Gewinnsteigerungen kurzfristig beeinträchtigen.
Bei der Selektion unserer Investitionen kommt der Bewertung eine zentrale Bedeutung zu. Wir investieren ausschliesslich in überdurchschnittliche Qualität, setzen diese jedoch immer ins Verhältnis zur Bewertung. Nur wenn dieses Verhältnis attraktiv ist, tätigen wir eine Investition. Wir sind überzeugt, dass der disziplinierte Fokus auf beide Faktoren langfristig die besten Resultate ermöglicht. Dies gilt sowohl bei Aktien wie bei Anleihen. Aufgrund der höheren Zinsen bieten festverzinsliche Anlagen nach langer Zeit wieder eine attraktivere Ergänzung zu Aktien und ermöglichen es, in wirtschaftlich und geopolitisch unsicheren Zeiten, verlässliche und stabilisierende Erträge zu erwirtschaften.
Zürich, Ende September 2022
Rückblick
Rekordtiefe Zinsen gepaart mit hoher Inflation führen zu tief negativen Realzinsen. Um diesen Zustand zu korrigieren, müssen entweder die Zinsen steigen oder die Inflationsraten sinken. Da sich die Inflation als weniger «vorübergehend» herausgestellt hat, als es sich die Zentralbanken erhofft haben, sehen sich diese nun gezwungen die Zinsen spürbar zu erhöhen.
Waren die Bewertungen in den letzten Jahren aufgrund tiefer, teils negativer Zinsen gerechtfertigt, so ist die gegenwärtige Bewertungskorrektur basierend auf stark steigenden Zinsen ebenfalls konsequent. Kapital ist stets auf der Suche nach der attraktivsten Rendite im Verhältnis zu den gegebenen Risiken. Steigen also die Renditen der verlässlichen und stetigen Erträgen von Anleihen, erfordert dies eine Steigerung der Ertragsrenditen von Aktien, um den Risikoaufschlag gegenüber Anleihen konstant zu halten. Dies kann entweder durch eine Steigerung der Erträge oder eine Korrektur der Bewertung erfolgen.
Die derzeitige Herausforderung liegt darin, dass die Zinsen sehr schnell gestiegen sind und die Ertragssteigerungen der Unternehmen damit nicht schritthalten konnten. Hinzu kommt das Problem des Basiseffektes. Aufgrund der tiefen Zinsen sind kleine Zinsanstiege prozentual betrachtet grosse Veränderungen. Dasselbe trifft auf die Unternehmensbewertung zu, je teurer eine Firma bewertet ist, desto höher muss das Ertragswachstum ausfallen, um die gestiegenen Zinsen zu kompensieren und die Risikoprämie gegenüber festverzinslichen Anlagen aufrecht zu halten. Da sich höhere Zinsen gleichzeitig bremsend auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken, wird das Ertragswachstum der Firmen tendenziell verlangsamt. Der anhaltende Kostendruck aufgrund angespannter Lieferketten und der aktuelle Arbeitskräftemangel verschärft dieses Problem zusätzlich.
Die Risikoprämie von Aktien ist somit beidseitig unter Druck: höhere Zinsen in Kombination mit voraussichtlich tieferen Erträgen. Besonders stark betroffen von dieser Situation sind Firmen mit anspruchsvollen Bewertungen, welche überproportional wachsen müssen, um die eigene Bewertung zu rechtfertigen. Dies sind genau die Firmen, welche in den letzten Jahren von stetig tiefen Zinsen und positiver Wirtschaftsentwicklung profitiert haben und viel Beachtung der Medien und Trendinvestoren erhalten haben.
Ausblick
Konnte man sich in den vergangenen Jahren darauf verlassen, dass die Zentralbanken einer wirtschaftlichen Abschwächung mit Zinssenkungen entgegentreten, ist die Ausgangslage dieses Mal umgekehrt. Zentralbanken sind aufgrund hoher Inflationsraten gezwungen, die Zinsen zu erhöhen und eine wirtschaftliche Abschwächung in Kauf zu nehmen. Je nach Intensität der Wachstumsverlangsamung, sollten die hohen Inflationsraten sinken und eine Stabilisierung der Zinsen herbeiführen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die derzeitigen Investitionen der Firmen zur Beseitigung der Angebotsknappheit, bei abschwächender Wirtschaft gar in einem Angebotsüberschuss und erneut deflationären Tendenzen münden könnten.
Vieles hängt von der weiteren Entwicklung der Inflationsraten und den daraus resultierenden Zinsen ab. Positiv betrachtet erhalten Investoren auf den festverzinslichen Anlagen nach langem Warten wieder eine Rendite, auch wenn diese derzeit mit der Inflation noch nicht schritthalten kann. Bei einer allfälligen Rückkehr zu tieferen Inflationsraten, könnte sich das aktuelle Zinsniveau als attraktive Gelegenheit erweisen. Das Geld auf dem Konto ist hingegen vollständig den hohen Inflationsraten ausgesetzt, es ermöglicht jedoch mindestens temporär, von besseren Kaufgelegenheiten bei Vermögenswerten zu profitieren.
Die anspruchsvolle Ausgangslage erfordert es, bei den Aktien auf bewährte Merkmale zu fokussieren: Eine führende Marktpositionierung sichert die Ertragslage trotz steigenden Kosten. Strukturelle Wachstumsbereiche federn den Zyklus der Wirtschaft etwas ab und eine attraktive Bewertung ermöglicht es allfällige Zinsanstiege besser zu kompensieren. Aktuelle Profiteure wie Rohstofffirmen oder die zu Beginn der Korrektur überbewerteten Wachstumsfirmen entsprechen unseren langfristigen Qualitätsanforderungen nicht. Kurz- bis mittelfristige Marktverwerfungen hingegen sind Bestandteil des Investierens und bieten auf lange Sicht attraktive Gelegenheiten, um von Bewertungsabweichungen zu profitieren.
Zürich, Ende Juni 2022